Konflikte mit dem Auftraggeber

Leider ist Ihre Fragestellung auch in der Originalausgabe nicht sehr konkret, so daß es nicht möglich ist, präzise darauf einzugehen! Es gibt sicher hunderte von Situationen und Anlässe, was zu Konflikten mit dem Auftraggeber führen kann und man müßte schon sehr intensiv "Konfliktanalyse" betreiben, um dem vorliegenden Fall gerecht zu werden.

Als goldene Regeln immer richtig sind Schlagworte wie:

Konsequentes Projektmanagement

Offene Atmosphäre

Gute und offene Informationspolitik

Saubere Planungs- und Abstimmschritte

Einhaltung der Vereinbarungen

Totale Transparenz auch und gerade bei Abweichungen und Schwierigkeiten


Ich suche mir einmal einen Fall heraus bei dem es um Differenzen zwischen einem Auftraggeber und einem externen Auftragnehmer - einem Softwarehaus geht. Der umgekehrte Fall also, aber schließlich gilt ein Indianer-Sprichwort: Be-/Verurteile Deinen Partner erst, wenn Du ein paar Tage in seinen Mokassins gelaufen bist!

Hier der Mitschnitt eines Gesprächs mit einem Auftraggeber, dessen Fragen hier nur soweit entfremdet sind, daß keine Rückschlüsse auf seine Person oder Firma möglich werden.

Herr Köstle, es gibt immer wieder Konflikte und Schwierigkeiten, wenn wir Projekte nach außen vergeben, haben Sie nicht eine Liste von Tipps, wie man das in den Griff bekommen kann?

Sie wissen, ich halte nichts von allgemeingültigen "Kochrezepten". Sie müssen schon deutlicher werden, wenn ich darauf eingehen können soll.

Nun, meistens bekommt man zuerst das Blaue vom Himmel versprochen und dann halten die Auftragnehmer nichts ein, keine Termine, keine Kosten - nichts!

Wie haben Sie denn Ihren Partner ausgewählt?

Wir haben uns ein paar Angebote eingeholt und diese verglichen, um zum richtigen Partner zu kommen.

Und wie haben Sie dann zwischen den Angeboten ausgewählt?

Nun, wir haben dem Preiswertesten den Auftrag gegeben.

Wirklich dem Preiswertesten oder nicht doch dem Billigsten?

Natürlich, was denn sonst?

Warum nehmen Sie an, daß der Billigste auch der Preiswerteste ist?

???

Und wahrscheinlich haben Sie bei den Verhandlungsgesprächen auch mit den Konkurrenzangeboten gewunken und den einen mit dem anderen gedrückt? Wie man halt so verhandelt!?

Klar, das sehen Sie völlig richtig. Anders schaut man den Leuten ja nicht in die Karten!

Und Sie wundern sich nun, daß die Verhandlungspartner versucht haben, sich gegenseitig zu unterbieten? Ist doch klar, daß Sie auf diese Weise den ausgewählt haben, der sich am weitesten hinausgelehnt hat, der Billigste ist doch nicht automatisch der Beste! Möglicherweise sind alle anderen Anbieter vorher ausgestiegen, als sie das Gefühl hatten, daß ihr Angebot nicht mehr seriös ist und daß das, was Sie als Lösung erwarten, für das Geld nicht mehr zu machen ist.

Aber anders wird man denen doch nicht Herr. Die bauen sich doch Spielräume und Puffer ein, wo es nur geht!

Oh nein! Es ist Ihr Problem, die fachliche Einschätzung richtig zu treffen, welches das Beste (und nicht das billigste) Angebot ist, denn dem Auftragswert muß doch ein Gegenwert an Leistung entgegenstehen. Das zu prüfen, ist Ihre Sache! Da kommen Sie nicht darum herum, wenn Sie vermeiden wollen, was Ihnen jetzt passiert ist. Den Leistungsumfang, den Sie erwartet haben, haben Sie doch hoffentlich klar umrissen!?

Was wollen Sie damit sagen?

Nun, wie haben Sie Ihre Ausschreibung gestartet?

Wir haben uns die einzelnen Anbieter einzeln eingeladen, ihnen unser Problem geschildert und um ein Angebot gebeten.

Also ohne Zieldefinition, ohne Pflichtenheft, ohne Leistungsbeschreibung, ohne Festlegungen des Leistungsumfangs, ohne Definition von Projekt- und Prozeßorganisation? Und ganz ohne jede Planung?

Aber das gehört doch alles zum Projektmanagement, das wollten die doch übernehmen. Darum haben wir uns ja für eine Komplettlösung interessiert. Eine Lösung aus einer Hand sozusagen!

Nun, stellen wir uns doch einmal deren Situation vor: In einer Konkurrenzsituation von Anbietern muß man das niedrigste Angebot abgeben, um einen Auftrag zu bekommen! Der Leistungsumfang ist nicht fest umrissen. Da ist doch völlig klar, daß sich jeder Anbieter überlegen muß, wie kann ich diesem Kunden sein Problem am einfachsten lösen und damit das niedrigste Angebot erreichen!

Aber was da gemacht wird, sind doch keine akzeptablen Lösungen. Da fehlt es doch hinten und vorne!

Woher wollen Sie das auf einmal so wissen, dann hätten Sie sich doch gleich zu Beginn hinsetzen und niederschreiben können, was Sie sich als Lösung vorgestellt haben. Das wäre doch ein Anfang!

Und bei jeder Korrektur, die man verlangt, bekommt man einen Korb wegen Kostenüberschreitung oder eine Anforderung nach weiteren Finanzmitteln. Dabei haben wir einen Festpreis vereinbart!

Ich habe die Befürchtung, daß Sie keine Korrekturen verlangen, sondern Nachforderungen erheben, kann das sein? Und die sind per Definition nicht im Projektetat enthalten. Außerdem müssen Sie sich im Klaren darüber sein, daß Sie einen Festpreis für einen nicht klar umrissenen Leistungsumfang vereinbart haben! Durch diese Festpreisvereinbarung wollten Sie doch für sich Risikofreiheit erreichen. D. h. alle Unabwägbarkeiten gehen zu Lasten des Auftragnehmers. Wovon soll er die finanzieren? Dafür braucht er doch einen Risikopuffer!

Eben darum die Festpreisvereinbarung!

Schon, aber realistisch gesehen muß der Auftraggeber auch leben und kann kein zusätzliches Geld drucken. Wenn Sie ihn im Preis drücken und durch Festpreisvertrag nach oben deckeln, kann er doch nur nach unten ausweichen! Eben nur die primitivste Lösung und keine Beweglichkeit bei Nachforderungen, Änderungen usw. Am leichtesten fällt das bei Qualitätskriterien, Dokumentation und ähnlichem und bei Einschränkungen im Projektmanagement, kurz: bei allem, was man möglichst lange nicht vermißt (=möglichst spät sieht!). Und das bedeutet ganz eindeutig, daß der Verlauf Ihres Projektes in das Risiko hineingetrieben wird. Der weitere Ärger ist vorprogrammiert, Konflikte stehen ins Haus!

Sie haben mich nachdenklich gestimmt, trotzdem bleibt ein sehr bitterer Beigeschmack in Bezug auf das Vorgehen unseres Auftragnehmers!

Ich habe Sie auf die Punkte geführt, die Sie selbst in die Situation eingebracht haben und damit am leichtesten anders machen können. Das soll in keiner Weise entschuldigen, daß es auch Partner gibt, die am Anfang mit den tollsten Versprechungen ins Rennen gehen und nachher nur sehr wenig davon einlösen. Zweifelsfrei gibt es die, die mehr von ihren (Werbe-)Sprüchen als von ihrem Sachverständnis und ihrer Projekterfahrung leben. Aber Sie müssen mit solchen Partnern ja keine Verbindung eingehen! Sie haben es in der Hand!

Ein letzter Gedanke: Man hat Projektmanagement entwickelt, um in vielen kleinen Schritten verfolgen zu können: "Was ist geschehen, was hat es gekostet und wie sind wir in der Zeit". Damit soll erreicht werden, daß man sehr früh erkennt, wenn etwas aus dem Ruder läuft und daß man bei Baselines oder Meilensteinen jeweils entscheiden kann, wie es weitergehen soll oder ob man aussteigen möchte. Bei guten Projektteams, die Ihr Vertrauen verdienen, können sie selbstverständlich die Baselines oder Meilensteine weiter auseinander legen. Aber wenn Sie das Projektmanagement aus der Hand geben, setzt das eben sehr, sehr viel Vertrauen voraus. Also prüfen Sie mit viel Sachverstand und nicht über Billigangebote, wem Sie Ihr Vertrauen schenken wollen; und überlegen Sie weiterhin, wieviel Projektmanagement Sie selbst in der Hand behalten wollen, um Ihr Risiko klein zu halten. Das ist mehr Garantie als Festpreisvereinbarungen!

 

Soweit der Mitschnitt dieses Gesprächs. Sie wissen, wie sehr ich dazu neige, jemanden auf die eigenen Fehler und Schwächen aufmerksam zu machen. Nicht, weil es nicht auch am anderen Partner liegen kann, sondern weil man am eigenen Beitrag am schnellsten und am meisten ändern kann!

Wenn Sie aus einem Softwarehaus kommen, sollten Sie jetzt dieses Gespräch fair und offen analysieren und dabei Ihr "eigenes Gewissen erforschen", dann kommen Ihnen bestimmt jede Menge von Anregungen, woher Konflikte kommen, was dabei Ihr Anteil ist und was Sie folglich am leichtesten ändern können!